Immer wieder stellen uns Neukunden und -Kunden die Frage, ob die Erwerbsminderungsrente (EMR) der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Wahl der richtigen Höhe der Berufsunfähigkeitsrente berücksichtigt werden sollte.
In diesem Beitrag gucken wir uns an, wer überhaupt Leistungen wegen Erwerbsminderung zu erwarten hat, wie hoch diese sind, wann sie fällig werden und natürlich, ob diese bei der Höhe der BU-Rente berücksichtigt werden sollten.
Wenn Sie in einem verkammerten Beruf arbeiten, lesen Sie gerne unseren Beitrag zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung und Versorgungswerk.
Sollen wir Ihnen das Thema näher erklären?
Wer hat Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente ist ein Bestandteil der Versorgungsleistung der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Damit ist die erste Voraussetzung für den Erhalt dieser Leistung, dass Sie Sozialversicherungsbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Somit sind Schüler und Studierende von dieser Leistung in der Regel schon einmal ausgeschlossen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass Sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 5 Jahre über die Deutsche Rentenversicherung versichert sind. Und zusätzlich mindestens drei Jahre Beiträge eingezahlt haben. Das bedeutet, dass Sie auch nach der Schulzeit und nach dem Studium die ersten Jahre im Beruf keinen Versicherungsschutz über die DRV bekommen.
Somit sind auch Auszubildende grundsätzlich noch nicht versichert, da sie die fünfjährige Wartezeit nicht erfüllen können.
Grundsätzlich, weil es eine seltene Ausnahme gibt: Im Fall eines Arbeitsunfalls oder eine Berufskrankheit gilt die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit.
Jedoch ist die Anzahl der Arbeitsunfälle seit dem Jahr 1991 dramatisch gefallen. Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei um alle Unfälle währende der Arbeit oder auf dem Arbeitsweg zugetragen haben und die zu einer Arbeitsunfähigkeit ab drei Tagen oder zum Tod führten. Die Wahrscheinlichkeit, dass hierdurch eine Erwerbsminderung eintritt, ist hingegen (zum Glück) sehr gering.
Sollten Sie in der Zeit von Schule, Studium oder Ausbildung in einem Minijob arbeiten und den Beitrag für die Rentenversicherung “aufstocken”, dann werden diese Zeiten wiederum angerechnet.
Sinnvoll ist es darum, bereits für Kinder ab dem 10. Lebensjahr eine passende Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen.
Sie sehen, dass es grundsätzlich schon ein paar Hürden zu überwinden gibt, bevor Sie überhaupt Leistungsansprüche im Fall einer Erwerbsunfähigkeit erhalten können. Haben Sie die Wartezeit erfüllt und auch in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre Ihre Pflichtbeiträge eingezahlt, besteht Anspruch auf eine Leistung.
Wann wird eine Erwerbsminderungsrente gezahlt?
Die Deutsche Rentenversicherung verfolgt mit dem System der Erwerbsminderungsrente den Ansatz, dass Sie im allergrößten Notfall eine finanzielle Stütze bekommen sollen.
Sie müssen alles tun, um den Leistungsanspruch zu vermeiden. Die DRV schreibt auf Ihrer Homepage dazu selbst “Reha kommt vor Rente”.
Für Sie bedeutet das, dass Sie durch Reha-Behandlungen versuchen müssen, Ihre Erwerbsfähigkeit zu behalten und sich auch beruflich umorientieren müssen.
Dabei ist wichtig zu wissen, dass dies im Prinzip einer abstrakten Verweisung auf alle am Markt verfügbaren Tätigkeiten nachkommt. Unabhängig von Ihrem aktuellen Beruf. Auch Ihr aktuelles Einkommen und Ihre Lebensstellung spielen bei dieser Prüfung keine Rolle.
Wie lange müssen Sie erwerbsunfähig sein?
Die Erwerbsminderungsrente erhalten Sie, wenn Sie in keiner beruflichen Tätigkeit am Arbeitsmarkt mehr arbeiten können und dieser Zustand voraussichtlich dauerhaft (mindestens drei Jahre) ist.
Dabei werden diese Renten in der Regel auch nur für drei Jahre befristet anerkannt und dann gegebenenfalls verlängert. Ein dauerhaftes Anerkenntnis kommt in der Regel äußerst selten vor und wird nur dann ausgesprochen, wenn medizinisch bereits so gut wie sicher ist, dass sich der Gesundheitszustand auch in 5-6 Jahren nicht mehr verbessern wird.
Von allen meinen Kunden, die bereits Leistungen aus ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung beantragen mussten, hat es nur einen so hart getroffen, dass ein dauerhaftes Anerkenntnis der Erwerbsminderungsrente erfolgte.
Neben der Verweisung auf sämtliche Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, ist auch der Prognosezeitraum eine Herausforderung, um die Erwerbsunfähigkeitsleistung zu erhalten.
Welche Leistung gibt es im Fall von Erwerbsminderung?
Bei der Höhe der Leistung wird zwischen der vollen und der teilweisen Erwerbsminderungsrente unterschieden.
Voll erwerbsgemindert sind Sie dann, wenn Sie voraussichtlich dauerhaft (mindestens drei Jahre) nicht einmal drei Stunden pro Tag in irgendeiner Tätigkeit arbeiten können.
Teilweise erwerbsgemindert sind Sie, wenn Sie zwar noch länger als drei Stunden täglich in irgendeinem Beruf arbeiten können, aber maximal 6 Stunden am Tag.
In Ihrer aktuellen Renteninformation (die Sie unter diesem Link jederzeit anfordern können) finden Sie eine Auskunft dazu, wie hoch die Erwerbsminderungsrente im Fall von teilweiser und voller Erwerbsminderung ist.
Bei den dort ausgewiesenen Werten beachten Sie bitte, dass davon im Leistungsfall noch die Krankenversicherungsbeiträge und die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung abgezogen werden müssen.
Am Ende bleibt von der Erwerbsminderungsrente in der Regel netto weniger übrig, als Sie zum Leben brauchen und Sie sind auf weitere Hilfen wie Sozialhilfe angewiesen. Genau deswegen empfehlen auch die Stiftung Warentest (Finanztest) und Co. den Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung oder auch einer Grundfähigkeitsversicherung.
Sollten Sie die Erwerbsminderungsrente beim Abschluss einer BU-Versicherung berücksichtigen?
Die eben genannten Empfehlungen eine BU-Rente als Ergänzung zur DRV abzuschließen, suggeriert vielen, dass die Berufsunfähigkeitsrente so ermittelt werden sollte:
(Nettoeinkommen) – (Ansprüche an die Erwerbsminderungsrente) = (Höhe der BU-Rente)
Das hört sich auf den ersten Blick logisch an. Allerdings basiert diese Rechnung gleich auf mehreren fehlerhaften Annahmen.
Erster Fehler: weder die Erwerbsminderungsrente noch die Berufsunfähigkeitsleistung sind “netto”
Wie weiter oben schon beschrieben, müssen Sie von der Leistung wegen Erwerbsminderung noch die Beiträge für Ihre Kranken- und Pflegeversicherung abziehen.
Und auch von Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Sie mehrere Abzüge einkalkulieren. Welche Abzüge dies im Fall der BU konkret sind, hängt auch damit zusammen, ob Sie überhaupt eine Erwerbsminderungsrente bekommen oder nicht.
Zweiter Fehler: BU und Erwerbsminderung sind zwei Paar Schuhe
Das Ziel der EMR ist es, dass Sie, bildlich gesprochen, ein letztes Netz vor dem Boden spannen. Dieses Netz ist allerdings so niedrig, dass Sie erst einmal ganz schön tief fallen.
Das Leistungsversprechen der Berufsunfähigkeitsversicherung ist hingegen die Absicherung Ihrer aktuellen Lebensstellung. Einfacher ausgedrückt sichert die BU alles das ab, was Sie sich durch Schule, Studium, Ausbildung, Weiterbildungen, Engagement, kreative Ideen und Arbeitseinsatz erarbeitet haben.
All dies hat dafür gesorgt, dass Sie sich heute Ihren Lebensstandard leisten können. Und genau deswegen erhalten Sie bereits dann die volle BU-Rente, wenn Sie Ihre letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen für mindestens 6 Monate nicht mehr ausüben können und Sie deswegen Ihre Lebensstellung / Ihren Lebensstandard verlieren.
Bildlich gesprochen ist die BU-Rente somit der Segelschirm, der dafür sorgt, dass Sie gar nicht erst zu Boden fallen, sondern in Ihrer Höhe gleiten können.
Dritter Fehler: Die Leistungsschwelle der DRV
Wenn Sie die Voraussetzungen zur Zahlung der EM-Rente mit denen der Berufsunfähigkeitsrente vergleichen, dann stellen Sie fest, dass zwar immer eine Berufsunfähigkeit vorliegen wird, wenn Sie erwerbsgemindert sind, es aber in den wenigsten Fällen auch andersherum zutrifft.
Erwerbsminderungsrente
- Zustand muss voraussichtlich dauerhaft / mindestens drei Jahre andauern + Sie dürfen keine Tätigkeit am Arbeitsmarkt mehr ausüben können (abstrakte Verweisung)
- Maßnahmen zur Rehabilitation müssen zwingend und umfangreich ergriffen werden
- Leistung wird in der Regel auf drei Jahre befristet. Nach Ablauf steht eine neue Befristung an.
- Volle Leistung erst bei Unfähigkeit länger als drei Stunden täglich zu arbeiten
- Absicherung der allgemeinen Erwerbsfähigkeit
Berufsunfähigkeitsversicherung
- Leistung bereits ab voraussichtlich oder tatsächlich 6-monatiger BU
- Versichert ist ihr letzter Beruf, so wie dieser vor Eintritt der Berufsunfähigkeit tatsächlich ausgeübt wurde
- Heilbehandlungen und Verwendung alltäglicher Hilfsmittel sind eingeschränkt durchzuführen (Arztanordnungsklausel)
- In der Regel wird eine unbefristete Leistung erbracht. Einige Versicherungen behalten sich vor, in Ausnahmefällen ein befristetes Anerkenntnis auszusprechen für bis zu 12 Monate (wenige Ausnahmen wie die Debeka können länger befristen)
- Volle Leistung ab 50 % Berufsunfähigkeit oder Verlust einer Kerntätigkeit (qualitative und quantitative BU)
- Absicherung der zuletzt erreichten Lebensstellung (konkretes Einkommen und soziales Ansehen)
Unterm Strich wird die private Berufsunfähigkeitsversicherung wesentlich schneller fällig, wogegen Sie sich niemals auf die gleichzeitige Leistung wegen Erwerbsminderung verlassen sollten. Auch nicht auf eine teilweise Rente.
In unserer Empfehlung spielt daher die Deutsche Rentenversicherung keine Rolle bei der Ermittlung der passenden BU-Rente.
Wird die Erwerbsminderungsrente bei Antragstellung auf einen BU-Vertrag abgefragt?
Während Sie ab bestimmten Rentenhöhen die Ansprüche an ein Versorgungswerk bei Kammerberufen bis zu 50 % berücksichtigen müssen, fragen die Versicherungen nicht nach den Ansprüchen an die EMR.
Übrigens findet auch keine Verrechnung der Rentenzahlungen statt. Für den seltenen Fall, dass Sie neben Ihrer BU-Leistung auch die Zahlung wegen Erwerbsminderung erhalten, dürfen Sie das Geld in voller Höhe behalten.
Auch dann, wenn dies ausnahmsweise mehr sein sollte, als Sie vor Eintritt Ihrer Krankheit oder Ihres Unfalls durch Ihren Beruf verdient haben.
Kleiner fachlicher Hinweis:
Auszubildende haben durchaus Anspruch auf EMR, wenn die Ursache ein Arbeitsunfall oder Berufskrankheit sind. Dann greift die vorzeitige Wartezeiterfüllung. (§53 SGB VI)
Vielen Dank für die Ergänzung. Das ist vollkommen korrekt.
Aus dem Artikel hatte ich es rausgelassen, weil dies für die Notwendigkeit der privaten BU-Versicherung bzw. die Berücksichtigung bei der Höhe aus meiner Sicht keine Rolle spielt.
Hintergrund ist, dass die überwiegend meisten BU-Leistungsfälle weder durch einen Arbeitsunfall, noch durch eine Berufskrankheit erfolgen. Dazu nimmt die Anzahl der Arbeitsunfälle auch noch deutlich ab seit 1992.
Deswegen habe ich es im Artikel selbst in Kombination der Fragestellung „sollte die EMR bei der BU berücksichtigt werden“ für nicht notwendig erachtet. Da es aber auch nicht schadet, habe ich es nun mit dem Hinweis ergänzt.