Der BU-Profi

Neulich habe ich mal wieder einen Artikel gelesen, in dem behauptet wird, dass die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung eine gute Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung wäre, um Akademiker und Menschen in Büroberufen sinnvoll abzusichern.

Das soll dann eine tolle Lösung sein, zum Beispiel, wenn die BU-Versicherung zu teuer ist oder aufgrund von gesundheitlichen Problemen gar nicht oder nur mit Einschränkungen (Ausschlussklauseln) abgeschlossen werden kann.

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten dieser beiden Versicherungslösungen und prüfen, ob die Erwerbsunfähigkeitsversicherung gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung wirklich eine sinnvolle Lösung für die Absicherung von Akademikern sein kann.

Guido Lehberg - der BU-Profi - Erwerbsunfähigkeitsversicherung als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung?

Sollen wir Ihnen das Thema näher erklären?

Falls Sie spezielle Fragen  haben, die in diesem Text nicht beantwortet werden können, zögern Sie nicht uns zu kontaktieren!

Was ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Das Leistungsversprechen der Berufsunfähigkeitsversicherung ist schnell erklärt: Sie können Ihren aktuellen Beruf für mindestens 6 Monate nicht mehr zu mehr als 50 % ausüben und üben auch keine andere Tätigkeit aus, die Ihrer Lebensstellung (Einkommen und soziales Ansehen Ihres bisherigen Berufs) entspricht. Dabei wird bei den meisten Tarifen auf die abstrakte Verweisung verzichtet.

Unabhängig von den 50 % besteht bereits dann volle Berufsunfähigkeit, wenn kein sinnvolles Arbeitsergebnis mehr erreicht werden kann, weil eine wichtige Kerntätigkeit verloren gegangen ist. Mehr dazu können Sie im Beitrag zur „Quantitativen und Qualitativen Berufsunfähigkeit“ nachlesen.

Den Begriff des Berufs muss man dabei noch etwas präzisieren, denn es geht eigentlich um die konkret ausgeübte Tätigkeit, so wie diese ohne gesundheitliche Einschränkungen ganz genau ausgeübt wurde.

Berücksichtigt werden im Versicherungsschutz neben der ganz konkreten beruflichen Tätigkeit auch das damit verbundene Einkommen, die Erfahrung, die Wertschätzung und auch die Ausbildung der versicherten Person.

Gerade bei Akademikern sind diese Faktoren besonders wichtig, da auch die deutlich längere Ausbildungszeit eine entsprechende Berücksichtigung findet.

Was ist eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung?

Bei der Erwerbsunfähigkeitsversicherung (auch EU-Versicherung genannt) ist hingegen lediglich die Fähigkeit abgesichert, irgendeiner Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.

Im Leistungsfall wird also weder der bisher ausgeübte Beruf noch das damit verbundene soziale Ansehen und auch nicht das bisher erzielte Einkommen berücksichtigt.

Somit besteht die Möglichkeit, dass Sie abstrakt auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden können. Unabhängig davon, ob Sie dadurch Ihren Lebensstandard halten können oder nicht.

Im Vergleich zur staatlichen Erwerbsminderungsrente gibt es jedoch ein paar Unterschiede:

Bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten Sie ausschließlich dann Ihre Erwerbsminderungsrente, wenn dieser Zustand voraussichtlich dauerhaft ist. Bei vielen Versicherern der privaten Absicherung reicht ein Prognosezeitraum von 6 Monaten analog der BU-Versicherung.

Allerdings kennt die Deutsche Rentenversicherung eine Rente wegen teilweiser und wegen voller Erwerbsminderung. Teilweise erwerbsgemindert sind Sie dann, wenn Sie in keiner Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes länger als 6 Stunden arbeiten können. Dann bekommen Sie die halbe Erwerbsminderungsrente.

Die volle Erwerbsminderungsrente setzt voraus, dass Sie in keiner Tätigkeit länger als 3 Stunden am Tag arbeiten können (vollständige Erwerbsminderung).

In der privaten Erwerbsunfähigkeitsversicherung gibt es in der Regel die monatliche Rente lediglich bei voller Erwerbsunfähigkeit, bei der Sie nicht länger als besagte drei Stunden pro Tag mehr arbeiten können.

Gilt für Akademiker Berufsunfähig = Erwerbsunfähig?

Ein häufig gewähltes Argument gegen die Berufsunfähigkeitsversicherung, das gerade von jungen Menschen häufig benutzt wird, lautet „Was soll mir schon passieren? Ich arbeite ja überwiegend am Schreibtisch und da kann ich ja selbst im Rollstuhl noch weiterarbeiten.“

Dass es auch in Büroberufen häufig zur Berufsunfähigkeit kommt, dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Gründe dafür gibt es viele und auch bei uns im Kundenkreis haben wir mehrere Leistungsfälle wie zum Beispiel durch eine Nervenerkrankung bei einem Ingenieur oder durch eine psychische Erkrankung bei einer Verwaltungsbeamtin.

Die Frage an dieser Stelle ist jedoch, ob die meisten dieser Menschen nicht „nur“ berufsunfähig, sondern direkt auch voll erwerbsunfähig sind und demnach auch aus der EU-Versicherung eine Rente bekommen hätten.

Auf den ersten Blick klingt das logisch, denn bei den obigen beiden Beispielen kann man davon ausgehen, dass auch in allen anderen Berufen am allgemeinen Arbeitsmarkt keine Möglichkeit besteht, für länger als 3 Stunden zu arbeiten.

Allerdings gilt genau dies für viele andere Krankheitsbilder nicht. Ein Indiz dafür ist auch der Bericht „Erwerbsminderungsrenten im Zeitverlauf„.

Im Zeitraum von 1996 bis 2022 sind die Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente von 510.284 auf 338.014 deutlich zurückgegangen und auch die Bewilligungen sind deutlich gefallen. Lag 1996 noch bei 283.382 Antragstellern eine Erwerbsunfähigkeit vor, waren es im Jahr 2022 nur noch 172.832 Menschen. Das Verhältnis zu Anträgen zu Bewilligungen hat sich jedoch zu Ungunsten der Antragsteller verändert.

Daraus lässt sich ablesen, dass es zunehmend schwerer wird, an die gesetzliche Erwerbsminderung zu kommen. Und einer der Gründe dürfte dabei sein, dass die nach 1961 geborenen Jahrgänge auf allgemeine Erwerbsfähigkeit geprüft werden und die letzte Tätigkeit unberücksichtigt bleibt. Anders als bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.

Oft kommt es auch gerade bei Akademikern vor, dass trotz Krankheit noch einfache Arbeiten möglich wären, die allerdings deutlich schlechter bezahlt werden. Da die Erwerbsunfähigkeitsversicherung auf die Lebensstellung und somit auch auf das Einkommen keine Rücksicht nimmt, würden Sie dann trotz Versicherung finanziell und sozial fallen und Ihren Lebensstandard verlieren.

Was ist das Ziel der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Absicherung Ihrer Lebensstellung. Damit braucht sie erst einmal nur derjenige, der heute oder in Zukunft ein schützenswertes Einkommen hat. Schüler, Studenten und Azubi zähle ich bewusst dazu, da die meisten von ihnen nach Abschluss von Schule und Ausbildung beziehungsweise Studium entsprechendes Geld verdienen werden.

Da Akademiker in der Regel über ein deutlich überdurchschnittliches Gehalt verfügen, ist die Berufsunfähigkeitsversicherung hier also besonders sinnvoll, da im schlimmsten Fall nicht auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann, wenn diese nicht Ihrer Lebensstellung entspricht. Selbst dann nicht, wenn Sie diesem anderen Beruf im Leistungsfall konkret nachgehen.

„Hierbei spielen die genauen Bedingungen zur konkreten Verweisung eine wichtige Rolle. Für einige Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Apotheker bieten einige wenige Versicherungen sogar einen generellen Verzicht auf jegliche Verweisungen“

 

Da die Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung zudem für akademische Berufe mittlerweile sehr günstig geworden sind, macht die Überlegung zu einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung aus Preisgründen gar keinen Sinn.

Sollte eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gänzlich scheitern, bieten die meisten Anbieter auch keine Versicherung gegen Erwerbsunfähigkeit mehr an.
Zudem gibt es für viele akademische Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Notare oder Apotheker bei einigen Versicherungen stark vereinfachte Gesundheitsfragen.

Für wen kann eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung sinnvoll sein?

Wer sich während der Schulzeit gegen eine BU-Absicherung entscheidet und bereits eine Karriere in einem Handwerksberuf begonnen hat, für den ist die BU aufgrund des höheren Risikos auch mit erheblich höheren Beiträgen verbunden. Ein 18-jähriger Dachdecker muss für eine Rente von 1.000,- Euro schnell über 120,- Euro im Monat auf den Tisch legen.

Bei risikoreichen Berufen reicht meist schon eine kleine Verletzung, um eine Berufsunfähigkeit auszulösen. Bleiben wir im Beispiel des Dachdeckers, könnte hier schon eine Fraktur des Sprunggelenkes oder ein Kreuzbandriss das Aus für den Beruf bedeuten.
Wer dann bereit ist, erst in einer anderen Tätigkeit zu arbeiten, bevor er seine Rente aus der Versicherung bekommt, kann mit einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung tausende Euro an Beiträgen sparen. Dabei sollten Sie aber wissen, dass es auch dabei vorkommen kann, dass Sie in dem Beruf, den Sie dann noch ausüben können, deutlich weniger Geld verdienen können.

Achtung: Da die private EU-Versicherung nur bei voller Erwerbsunfähigkeit leistet, kann es auch hier vorkommen, dass Sie von der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente bereits Geld bekommen, für Ihren privaten Versicherer aber noch nicht krank genug sind.

Um diese Verweisungsthematik umgehen zu können, bietet sich daher für viele der Versicherungsschutz über eine Grundfähigkeitsversicherung eher an als über eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Dabei zahlt der Versicherer beim Verlust einer bestimmten, vertraglich vereinbarten, Fähigkeit. Unabhängig von der Frage, ob Sie Ihrem bisherigen oder einem anderen Beruf nachgehen können.

Ist die Erwerbsunfähigkeitsversicherung für Akademiker eine sinnvolle Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung?

Wenn wir uns die Absicherungszwecke der Berufsunfähigkeitsversicherung und der Erwerbsunfähigkeitsversicherung angucken, dann stellen wir fest, dass nur eine BU-Rente geeignet ist, die Lebensstellung abzusichern. Gerade bei Akademikern spielt dieses Leistungsversprechen eine entscheidende Rolle, da hier eine entsprechend hohe Lebensstellung vorhanden ist.

Wem es lediglich darum geht, die gesetzliche Erwerbsminderungsrente auf ein notwendiges Einkommensminimum aufzustocken, der kann über eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung nachdenken. Dabei sollten Sie bedenken, dass die aktuellen privaten Versicherungen dafür zwar einen kürzeren Prognosezeitraum von sechs Monaten haben, aber nur bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit zahlen.

Da die BU-Versicherung preislich für viele akademische Berufe sogar günstiger ist als die EU-Versicherung, spricht aus meiner Sicht deutlich mehr für die Berufsunfähigkeitsversicherung.

 

1 Kommentar

  1. Mathias Keiper

    Top zusammengefasst und super verständlich und einleuchtend erläutert !
    Danke

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